KandidatInnenfragen von magdeboogie.de

Im Zuge der hat magdeboogie die Kandidatinnen und Kandidaten zur Kulturentwicklung in der Stadt befragt. In disem Artikel findet ihr meine Antworten.

05.03.15 –

1. Magdeburg kämpft seit Jahren mit seinem Image. Der Ruf einer Industriestadt wird aller Voraussicht nach nicht mehr zurückkehren. Für was sollte Magdeburg in Ihren Augen stehen?

Magdeburg kann sich heute als Standort von Hochschulen, Wissenschaft und Forschung präsentieren. Damit einher geht auch ein anderer Stellenwert von Kultur und Kulturwirtschaft, als dies noch in der Vergangenheit der Fall war. Wir sind eine im Wandel begriffene Stadt mit langer und bewegter Geschichte.

2. Die Förderung der Kunst- und Kreativwirtschaft war ein großes Thema der letzten Jahre. Nach dem Wissenschaftshafen ist u.a. auch die Umnutzung der “Hyparschale” im Rothehornpark im Gespräch. Welche Räume sehen sie für die Kultur- und Kreativszene in dieser Stadt?

Der Wandel den Magdeburg in den vergangenen Jahrzehnten erlebt, führt auch dazu, dass viele historische Bauten ihren ursprünglichen Nutzungszweck verloren haben. Ein Erhalt vieler Objekte ist nur dann möglich, wenn wir neue Nutzungen finden und wir auch den Mut haben neues zu Versuchen. Als Beispiel nenne ich mal das denkmalgeschützte alte RAW in Salbke. Obwohl das Grundstück spottbillig war, hat sich die Stadt entschlossen, das zu tun, was sie in solchen Fällen häufig tut: Nichts. Das Grundstück verfällt. Einen privaten Investor kann man nicht mal suchen, da wir keinen Zugriff auf das Grundstück haben. Statt einer spannenden Entwicklung eines gut an den ÖPNV angeschlossenen Mischgebietes aus kleinteiligen Wohn- und Gewerbenutzungen in  umgenutzten und ergänzten denkmalgeschützten Gewerbebauten aus der Zeit um 1900, erzeugen wir als Stadt da auf Dauer eine Ruinenlandschaft. Irgendwann wird sie abgerissen und es entsteht im besten Fall eine gesichtslose Neunutzung. Das ist nur zum Teil eine Frage des Geldes, es ist eine Frage, ob die Stadt bereit ist, sich aktiv zu engagieren. Der städtebaulich verheerende Abriss der Sternstraße 2 ist ein anderes aktuelles Beispiel. Weitere solche Entwicklungen sind im gesamten Stadtgebiet zu beobachten.

Es fehlt nicht an Räumen, es fehlt am Einsatz der Stadtverwaltung für diese Räume. Die Kultur- und Kreativszene wäre ein wichtiger Partner einer aktiven Stadtverwaltung bei der Suche nach neuen Nutzungen für alte Räume. Wir brauchen kreative, alternative Milleus.

3. Die Bemühungen um die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 werden immer konkreter. Doch viele Kunst- und Kulturschaffende bemängeln, dass das Hauptaugenmerk dabei vor allem auf die großen und traditionellen Institutionen gelegt wird (bspw. Puppentheater) oder einzelne Projekte im Fokus stehen (bspw. Kulturanker). Wie wollen Sie sicherstellen, dass die durchaus heterogene und kleinteilige Kulturlandschaft dieser Stadt eingebunden wird?

Ein Erfolg unserer Bewerbung zur Kulturhauptstadt ist nur denkbar, wenn es gelingt, die Idee der Bewerbung rauszuholen aus dem Milleu von Kommunalpolitik und städtischen Offiziellen und sie als breit getragene Bewegung in Magdeburg zu etablieren. Die Bewerbung und ihre konkrete Ausgestaltung kann und muss kontrovers diskutiert werden. Es muss aber klar werden, dass der Erfolg davon abhängt, dass gerade die freie Kulturszene in ihrer Vielfalt die Bewerbung auch als Chance für eigene Ansätze und Projekte sieht und letztlich mit Begeisterung – ja schlicht Spass – an dem Prozess mitwirkt. Das gilt auch für die etablierteren Institutionen und Projekte. Es ist in Ordnung, die unterschiedlichen Situationen, Ansichten und Positionen zu benennen und zu berücksichtigen, wir sollten aber nicht die Engagierten gegeneinander ausspielen. Wir müssen jetzt als Bewohner/innen dieser Stadt beginnen die Geschichte zu erarbeiten, die wir mit unserer Kulturhauptstadtbewerbung erzählen wollen. Wir sollten nicht versuchen uns als adrette Stadt der Hochkultur zu verkaufen. Wir sind eine deutsche Provinzstadt mit wechselhafter Geschichte und in der Vergangenheit stark industrieller Prägung, mit ihren vielen Problemen und dunklen Stunden, aber eben auch mit Lösungsansätzen und neuen (europäischen, ja internationalen) Ausblicken. Wir stehen mit unseren Problemen und Strukturen, unserer nicht nur geografischen Lage zwischen Ost und West, vielleicht mehr für Europa, als unsere möglichen Konkurrenten. Die Aufgabe des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung liegt in der Moderation, Strukturierung und Finanzierung des Prozesses – ich meine, da besteht dringend Handlungsbedarf.

4. Insbesondere im letzten Jahr kochte die Diskussion um die Speerstundenregelung in Sachsen-Anhalt wieder hoch. Nun obliegt die Entscheidungsgewalt noch stärker den Kommunen. Die Regelung für Magdeburg, eine allgemeine Sperrstunde zwischen 5 und 6 Uhr, wird dabei oft kritisiert. Welchen Standpunkt vertreten Sie zu diesem Thema?

Die jetzt landesweit erfolgte Abschaffung der Sperrzeit geht auf meine Initiative im Landtag zurück. Es ist uns aus der Opposition heraus mit öffentlichem Druck gelungen, den Plan zur Ausweitung der Sperrstunde (auf 1.00 bis 6.00 Uhr war geplant) zu verhindern. Nun liegt die Kompetenz  für Sperrstundenregelungen bei den Kommunen. Eine Sperrstunde ist nicht sinnvoll – auch nicht in Magdeburg. Ich will das städtische Zentrum Magdeburgs stärken, dafür braucht es dort auch eine lebendige Kneipen- und Kulturszene. Dinge die das behindern, möchte ich auflösen. Da passt eine Sperrzeit nun wirklich nicht ins Bild.

5. Seien es Konflikte um Ruhestörung im Stadtzentrum, wie dies bspw. durch die “Hassel+Leben”-Initiative 2012 thematisiert wurde, oder teilweise nicht nachvollziehbare Einzelfallentscheidungen was die Genehmigung von Veranstaltungen angeht - für viele VeranstalterInnen hat sich die Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt in den letzten Jahren zu einem Konfliktfeld entwickelt. Entsprechend selten werden Risiken eingegangen und spannende Projekte an interessanten, zentrumsnahen Orten realisiert. Welche Perspektive können Sie den Kulturschaffenden dieser Stadt bieten?

Ich möchte (junge) Menschen geradezu auffordern, die Stadt als Entwicklungs- und Gestaltungsraum zu nutzen, denn die Förderung von Jugendkultur oder einfach alternativen Kulturansätzen und neuen Trends ist wichtig für die Entwicklung der gesamten Stadt – für die in ihr bestehende Lebensqualität und ihre Ausstrahlung.

Die Stadt muss Partnerin der „Kulturschaffenden“ sein und sich als verlässlicher, kooperativer Partner bei Nutzungsüberlassungen, der Genehmigungspraxis etc. erweisen. Unter einem grünen Oberbürgermeister wären die Probleme nun nicht plötzlich alle vergessen oder gelöst, dass aber in der Stadtverwaltung ein Wechsel der grundsätzlichen Einstellung erfolgen würde, dürfte auf der Hand liegen. Weniger Obrigkeit und monarchisches Gehabe, mehr Kooperation, Wertschätzung und Mut zu anderen Wegen.

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