KA 8/2323 Ausgestaltung des Jurastudiums sowie Sicherstellung der bedarfsgerechten Ausbildung in Sachsen-Anhalt

KLEINE ANFRAGE

14.08.24 –

Vorbemerkung des Mitglieds des Landtages

Laut dem Deutschem Richterbund werden in den kommenden 10 Jahren fast 3.000 Richter*innen und Staatsanwält*innen die Altersgrenze erreichen und aus dem Dienst ausscheiden.1 Besonders in den ostdeutschen Bundesländern droht eine nicht unerhebliche Personallücke zu entstehen. Neben Thüringen wird Sachsen-Anhalt am stärksten von der Pensionierungswelle betroffen sein.2 Die Justiz in Sachsen-Anhalt könnte demnach bis zu 47,9 % ihrer heute aktiven Richter*innen und Staatsanwält*innen verlieren. Gleichzeitig drängen immer weniger Nachwuchsjurist*innen in die Justiz. In Sachsen-Anhalt erfolgt die Ausbildung angehender Jurist*innen ausschließlich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Auch hier kann ein Rückgang der Zahlen, sowohl für die Anzahl der mit dem 1. Staatsexamen abschließenden Studierenden
als auch für die mit dem Studium beginnende Erstsemester verzeichnet werden. Die Zulassungsvoraussetzungen der Universität Halle-Wittenberg schwanken in den vergangenen Jahren insbesondere in Bezug auf die Beschränkung der Zulassung.

Antwort der Landesregierung
erstellt vom Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) wurde um Zuarbeit zu den Fragen 1, 1a, 3 und 4 gebeten. Zu den übrigen Fragen (2 und 5) wurde das Ministerium
für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt (MJ) befragt.

Frage 1: In den letzten Jahren gab es Erstsemesterdurchgänge, deren Zulassung einer NC-Beschränkung unterlagen sowie Durchgänge, die NC-frei angeboten wurden. Wie viele Studienanfänger*innen haben in den letzten 10 Jahren ihr Studium an der MLU aufgenommen? Bitte unter Angabe des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer NC-Beschränkung aufgeschlüsselt in Jahresscheiben angeben.

Frage 1a: Anhand welcher Kriterien wurden die jeweiligen NC im Zeitraum der letzten 10 Jahre bestimmt und bei welcher Abiturdurchschnittsnote lag der NC jeweils?
Bitte aufgeschlüsselt in die einzelnen Jahre angeben.
Antwort auf Frage 1 und 1a: Die Fragen 1 und 1a werden zusammenhängend beantwortet.

Gemäß § 4 Abs. 1 Hochschulzulassungsgesetz Sachsen-Anhalt setzen die Hochschulen durch Satzung für einen Studiengang für das erste Fachsemester Zulassungszahlen fest, wenn zu erwarten ist, dass die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber die Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze wesentlich übersteigt. Sofern der Studiengang Rechtswissenschaft zulassungsbeschränkt gewesen ist, wurden die Plätze im ersten Fachsemester gemäß den Vorgaben des Hochschulzulassungsgesetzes und der Studienplatzvergabeverordnung nach Abzug der sog. Vorabquoten (z.B. Quote für ausländische Bewerber, Härtefälle) in sog. Hauptquoten vergeben:

  • bis einschließlich dem WS 2019/2020:
    o 20% nach der Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung
    o 20% Wartezeit
    o 60% Auswahlverfahren der Hochschule
  • seit dem WS 2020/2021:
    o 30% nach der Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung
    o 10% Wartezeit
    o 60% Auswahlverfahren der Hochschule

Zu den Grenzwerten im Vergabeverfahren („bei welcher Abiturdurchschnittsnote lag der NC jeweils“) siehe Anlage 1.

Frage 1b: Wie bewertet die Landesregierung die Einführung eines NC und welche Konsequenzen hat dies auf die Anzahl der ausgebildeten Jurist*innen in Sachsen-Anhalt?

Zulassungsbeschränkungen werden eingeführt, wenn zu erwarten steht, dass die Nachfrage nach Studienplätzen das Angebot übertrifft und nicht alle Studieninteressierte für einen bestimmten Studiengang an der Hochschule aufgenommen werden können. Die Zulassungsbeschränkungen richten sich nach der zur Verfügung stehenden Lehrkapazität (vgl. Kapazitätsverordnung). Eine Zulassungsbeschränkung kann dazu führen, dass nicht alle Bewerberinnen und Bewerber aufgenommen werden können. Die Anzahl der am Ende ausgebildeten Juristinnen und Juristen in Sachsen-Anhalt hängt allerdings auch noch von weiteren Faktoren ab.

Frage 2: Mit Blick auf den zukünftigen Bedarf an jungen Jurist*innen im Land SachsenAnhalt:
Frage 2a: Wie viele Jurist*innen müssen an der Martin-Luther-Universität ausgebildet werden, damit es für Sachsen-Anhalt bedarfsgerecht ist?

Zur bedarfsgerechten Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land Sachsen-Anhalt mit Richterinnen und Richtern bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ist die Einstellung von jährlich bis zu 40 Richterinnen und Richtern auf Probe beabsichtigt. Der Bedarf wird durch Einstellungen von im Land Sachsen-Anhalt und in anderen Bundesländern ausgebildeten Volljuristinnen und Volljuristen gedeckt (sh.auch Antwort zu Frage 2c). Da für die Einstellung von Richterinnen und Richtern auf Probe besondere Einstellungsvoraussetzungen bestehen, sind nicht alle Absolventinnen und Absolventen (nach Bestehen des 2. Staatsexamens) für eine Einstellung geeignet. Auch nicht alle Absolventinnen und Absolventen verbleiben im Land Sachsen-Anhalt. Hinzu treten noch weitere unsichere Faktoren, sodass die Frage nicht abschließend beantwortet werden kann.

Frage 2b: In welchen Bereichen besteht Bedarf bzw. wird der höchste Bedarf erwartet?

Ein personeller Bedarf besteht im richterlichen und staatsanwaltlichen Bereich grundsätzlich bei den Staatsanwaltschaften sowie in allen Gerichtsbarkeiten mit Ausnahme der Sozialgerichtsbarkeit, um die anstehenden Altersabgänge zu kompensieren. Im staatsanwaltlichen Bereich besteht aktuell und perspektivisch gemessen am Personalkörper der größte Einstellungsbedarf.

Frage 2c: Welche Differenzen gibt es zwischen Bedarf und nachrückenden Jurist*innen in Sachsen-Anhalt?

Die Differenz zwischen personellem Bedarf und nachrückenden Richterinnen und
Richtern auf Probe aus Sachsen-Anhalt kann nicht konkret beziffert werden. Das Defizit zu den jährlich in Aussicht genommenen bis zu 40 Neueinstellungen variiert je nach Anzahl der Absolventinnen und Absolventen des Rechtsreferendariats in Sachsen-Anhalt, welche die Voraussetzungen für eine Einstellung in den höheren Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt erfüllen. Die verbliebene Differenz kann durch Einstellungen von Bewerberinnen und Bewerbern aus anderen Bundesländern oder Juristinnen und Juristen mit Berufserfahrung gedeckt werden.

Frage 3: Aufgrund der finanziellen Lage der Universität Halle-Wittenberg und der damit verbundenen Strukturplanung war auch der juristische Fachbereich von Kürzungen und Zusammenlegungen betroffen. Der juristische Fachbereich in Halle wird damit zu den kleinsten juristischen Fakultäten Deutschlands gehören. Wie soll die juristische Fakultät zukünftig ausgestaltet werden, um eine gute Ausbildung angehender Jurist*innen für das Land Sachsen-Anhalt zukünftig zu garantieren?

Die Wettbewerbsfähigkeit der seitens des Juristischen Bereichs der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angebotenen Ausbildung ist gegenwärtig gegeben. Diese Wettbewerbsfähigkeit muss und wird auch zukünftig erhalten und gefördert werden. Das ist nicht zuletzt Aufgabe des Juristischen Bereichs der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der sich bisher schon in der Lehre besonders engagiert hat. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass es in Deutschland in der Tat Universitäten mit größeren juristischen Fakultäten gibt. Bei einem Vergleich ist allerdings nicht nur die Anzahl der Professuren, sondern auch die der Studierenden zu beachten.

Frage 4: Einige Universitäten, darunter u. a. die Universität Potsdam und die Freie Universität Berlin bieten bereits den integrierten Bachelor an. Auch Sachsen plant nun die Einführung des integrierten Bachelors für das Jurastudium. Dabei geht es insbesondere darum, Sicherheit für die Studierenden zu schaffen und den zusätzlichen Druck, ohne Abschluss dazustehen, zu mindern. Studierenden bietet es die Möglichkeit, sich mit ganzer Kraft auf einen erfolgreichen Abschluss zu konzentrieren. Sieht die Landesregierung die Einführung eines integrierten Bachelors im Jurastudium vor?

Der Juristische Bereich der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat Interesse bekundet, einen Bachelor-Abschluss einzuführen. Dies ist nach derzeitigem Hochschulgesetz durchaus möglich. Die Landesregierung steht dem Anliegen grundsätzlich offen gegenüber.

Frage 5: Nach dem Jurastudium erfolgt das Referendariat mit dem Ziel des Erwerbs des zweiten Staatsexamens auf dem Weg zur Volljurist*in. Dieses muss nicht zwangsweise in Sachsen-Anhalt absolviert werden.
Frage 5a: Wie viele Studierende schließen in Sachsen-Anhalt mit dem 1. Staatsexamen an der MLU ab und erhalten anschließend einen Platz für die weitere Ausbildung zur Volljurist*in in Sachsen-Anhalt? Wie viele Bewerbungen und Zulassungen erfolgen von Studierenden, die das 1. Staatsexamen in einem anderen Bundesland absolvieren? Die Zahlen sind bitte für die letzten 10 Jahre anzugeben.

Die Datensätze in der beim Oberlandesgericht Naumburg geführten Datenbank „Bewerbungen“ werden -aus Datenschutzgründen- nach erfolgter Einstellung regelmäßig überschrieben oder bei Nichtberücksichtigung zwei Monate nach dem jeweiligen Einstellungstermin vernichtet bzw. gelöscht. Eine Auswertung aller Bewerbungen ist deshalb rückwirkend nicht möglich. Die Fragen können hier jedoch auf Basis der Gesamtmenge „tatsächlich erfolgte Einstellungen“ beantwortet bzw. ausgewertet werden. Die Differenz zwischen beiden Werten (also Bewerbungen und tatsächliche Einstellungen) liegt durch Rücknahmen pro Einstellungstermin im Schnitt bei ca. 10 Personen. Ausgehend von den „tatsächlich erfolgte Einstellungen“ (Spalte 4 der nachstehenden Tabelle) ist die Anzahl der Landeskinder in Spalte 5 und die daraus resultierende Anzahl der Fremdbewerber in Spalte 6 der Tabelle ersichtlich. Zudem ist in Spalte 3 der Tabelle die Ausbildungskapazität aufgeführt.

Frage 5b: Gibt es Einschätzungen dazu, wie viele der Ausgebildeten letztendlich in Sachsen-Anhalt bleiben?

Soweit die Zuständigkeit des MJ betroffen ist, kann die Anzahl der Richterinnen und Richter auf Probe mitgeteilt werden, die seit dem Jahr 2019 in den höheren Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt eingestellt wurden und ihr Referendariat in Sachsen-Anhalt absolviert haben. Die Daten werden seit dem Jahr 2019 statistisch erfasst. Zur weiteren Beantwortung der Frage sind diese Angaben um die Gesamtzahl der Absolventinnen und Absolventen des Rechtsreferendariats in den jeweiligen Jahren ergänzt worden. Auf dieser Grundlage kann eingeschätzt werden, wie viele der Ausgebildeten letztendlich in Sachsen-Anhalt bleiben

Es kann festgehalten werden, dass knapp 20% der in Sachsen-Anhalt ausgebildeten Referendarinnen und Referendare im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz verbleiben.

gelb hervorgehoben = zulassungsbeschränk

1Redaktion beck-aktuell, Pensionierungen: Ostdeutscher Justiz droht Personallücke vom 18.09.2023

2 Ebenda, Umfrage bei den Justizministerien der Länder von der „Deutschen Richterzeitung“, herausgegeben vom DRB.

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