BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Olaf Meister MdL

KA 7/1273 Ausweisung von Baugebieten in Überschwemmungsgebieten

KLEINE ANFRAGE

30.01.18 –


Vorbemerkung des Fragestellenden

Im Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2017 wird auf Seite 94 unter Punkt 9.3 Hochwasserhilfen festgestellt, dass Kommunen in Sachsen-Anhalt auch nach dem Hochwasser Baugebiete in Überschwemmungsgebieten ausweisen bzw. dort Baumaßnahmen durchführen. Als Beispiel wird ein Baugebiet der Stadt Gommern genannt.

Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie

1. Welche Baugebiete wurden in welchen Kommunen seit 2013 in Überschwemmungsgebieten ausgewiesen bzw. gebaut oder erweitert? Welche Gebiete/Baumaßnahmen sind noch geplant?

Von den Landkreisen bzw. Gemeinden wurden 29 Bebauungspläne gemeldet, die seit 2013 in Kraft getreten sind, bebaut oder erweitert worden sind oder sich in Aufstellung befinden und deren Geltungsbereich zumindest teilweise in Überschwemmungsgebieten liegen. Detaillierte Angaben zu den einzelnen Bebauungsplänen sind der angefügten Tabelle zu entnehmen.

2. Wie viele Menschen leben jeweils in diesen Gebieten? Wie viele Unternehmen mit wie vielen Arbeitsplätzen sind dort angesiedelt? Welcher Flächenumfang wurde in Anspruch genommen?

Es gibt keine amtliche Landesstatistik, in der die Zahl der ansiedelnden Unternehmen, der Flächenumfang der Ansiedlungen und die Zahl der dadurch geschaffenen Arbeitsplätze sowie der dort lebenden Bevölkerung bezogen auf jeweils aufgestellte einzelne Bauleitpläne und ausgewiesene einzelne Baugebiete erfasst werden. Die Ausweisung von Baugebieten auf Grundlage des BauGB ist eine Selbstverwaltungsangelegenheit der die Bauleitpläne aufstellenden Kommunen. Die Stadt Halle hat für das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 151 „Wohngebiet am Sophienhafen, Nord- und Westseite eine Einwohnerzahl von 175 (Stand 30.09.2017) angegeben. Im von der Stadt Gommern in der „Großen Gartenstraße“ ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet sollen zukünftig 80 Personen leben. Die Bebauung ist noch nicht abgeschlossen. Das überplante Gebiet ist 1,21 ha groß. Für die Wohnbebauung sind 0,76 ha vorgesehen. Bei allen anderen Bebauungsplänen handelt es sich bei den im Überschwemmungsgebiet gelegenen Bereichen entweder um die Überplanung des Bestandes, um Gebiete, die noch nicht bebaut sind oder um Gebiete bzw. Flächen, die nicht der Wohnbebauung dienen.

3. Werden die dort lebenden/arbeitenden Menschen vom Charakter als Überschwemmungsgebiet in Kenntnis gesetzt? Ggf. von wem, wie?

Überschwemmungsgebiete werden durch Rechtsverordnung festgesetzt. Entsprechend § 76 Abs. 4 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) ist die Öffentlichkeit über die vorgesehene Festsetzung von Überschwemmungsgebieten zu informieren und ihr ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Information über die vorgesehene Festsetzung von Überschwemmungsgebieten erfolgt im Amtsblatt des LVwA und über Informationen der Pressestelle des LVwA an die ortsansässigen Tageszeitungen. Die Überschwemmungsgebiete können eingesehen werden bei jeder betroffenen Verwaltungseinheit, den Landkreisen, im LVwA und auf der Internetseite des LVwA.

4. Besteht für die Menschen/Unternehmen in solchen Gebieten die Möglichkeit, Versicherungsschutz zu erhalten?

Für den Bürger besteht die Möglichkeit des Abschlusses einer Elementarversicherung der Versicherungswirtschaft. Zum Teil wird im Rahmen der Vertragsfreiheit von der Möglichkeit der Beitragssenkung in Form des Selbstbehaltes in Risikogebieten Gebrauch gemacht. Ferner bietet die Versicherungswirtschaft überdies eine Abschichtung des Risikos nach den jeweiligen Schutzzonen an.

  • Risikozone 1: Überschwemmung.
  • Risikozone 2: Sturm, Hagel.
  • Risikozone 3: Erdbeben, Sturmflut.

Hierdurch wird für die Masse der Versicherten eine erhebliche Reduzierung der Prämien erreicht, da im Regelfall nur die Versicherung gegen Sturm und Hagel erforderlich ist. Für Überschwemmungsschäden sind dann geringe Aufschläge der Beiträge hinzunehmen.

5. Erfordern solche Gebiete Änderungen in der Hochwasserschutzplanung? Wenn ja, welche, zu welchen Kosten? Wer trägt ggf. diese Kosten?

Nach § 78 Abs. 1 Nummer 1 WHG ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch untersagt. Jedoch kann die zuständige Behörde nach § 78 Abs. 2 WHG die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen, wenn

  1. keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können,
  2. das neu auszuweisende Gebiet unmittelbar an ein bestehendes Baugebiet angrenzt,
  3. eine Gefährdung von Leben oder erhebliche Gesundheits- oder Sachschäden nicht zu erwarten sind,
  4. der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes nicht nachteilig beeinflusst werden,
  5. die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt und der Verlust von verlorengehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird,
  6. der bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt wird,
  7. keine nachteiligen Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlieger zu erwarten sind,
  8. die Belange der Hochwasservorsorge beachtet sind und
  9. die Bauvorhaben so errichtet werden, dass bei dem Bemessungshochwasser, das der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes zugrunde liegt, keine baulichen Schäden zu erwarten sind.

Folglich dürfte sich aus solchen Gebieten keine Änderung der Hochwasserschutzplanung ergeben. Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage wurden auch die Landkreise und kreisfreien Städte beteiligt.

6. Welche Möglichkeiten haben die Kommunen, Neubauten in den Hochgebieten zu untersagen?

Zuständige Genehmigungsbehörde von Neubauten sind die Kommunen selbst. Nach § 78 Abs. 1 Nummer 2 WHG ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuchs untersagt. Die zuständige Behörde kann die Errichtung oder Erweiterung einer baulichen Anlage genehmigen, wenn im Einzelfall das Vorhaben

  1. die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und der Verlust von verlorengehendem Rückhalteraum zeitgleich ausgeglichen wird,
  2. den Wasserstand und den Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert,
  3. den bestehenden Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt und
  4. hochwasserangepasst ausgeführt wird

oder wenn die nachteiligen Auswirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.

Link: Kleine Anfrage mit allen Anhängen

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