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11.10.13 –
Eine Dienstreise führte mich in das beschauliche Stolberg im Harz. Das Tagungsgebäude der "26. Landkreisversammlung des Landkreistages Sachsen-Anhalt" präsentierte sich nebel- und regenverhangen und stellte so quasi pantomimisch recht treffend die derzeitige Lage der Kommunalfinanzen dar.
Tatsächlich plagen die Landkreise recht handfeste Sorgen. Der demografische Wandel trifft die Landkreise besonders hart. Immer weniger, immer ältere Menschen leben im ländlichen Raum. Die Aufwendungen für die Daseinsvorsorge in den Landkreisen steigen so pro Kopf der Bevölkerung auch noch an. Anders als Kommunen, Länder oder der Bund verfügen Landkreise nicht über eigene Steuereinnahmen, was die finanziellen Spielräume naturgemäß noch stärker einengt.
Die Landkreise fordern nachvollziehbarer Weise eine Stabilisierung ihrer finanziellen Situation, eine dauerhaft verlässliche Investitionspauschale und wollen nicht abgehängt werden, sondern gleichwertige Lebensverhältnisse sichern. Ein besonderes Augenmerk wird auf den zügigen Ausbau des Internets gelegt. Da kann man als Grüner Kommunalo beifällig mit dem Kopf nicken.
Dass sich bei der Landkreisversammlung aber nur die Verwaltungsspitzen und eben nicht die Bevölkerung trifft, merkt man dann doch an einigen eher merkwürdigen Forderungen. Wer beim Punkt "die Arbeit der gewählten Mandatsträger [ist] gegenüber den Vertretern von Einzelinteressen deutlich heraus[zu]stellen." an einen engagierten Kampf gegen Lobbyismus denkt, liegt leider völlig falsch. Übersetzt meint dieser Satz: "Bürgerinitiativen sollen die Kreistagsmitglieder gefälligst nicht mit Bürgerentscheiden und ähnlichen direktdemokratischen Scheußlichkeiten belästigen dürfen." Diese Positionierung des Landkreistages ist schade, wird doch die notwendige gesellschaftliche Weiterentwicklung unserer Demokratie in Abrede gestellt. Offenheit und Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen sehen anders aus.
Aus grüner Sicht sind auch bestimmte Schwerpunktsetzungen nur schwer nachzuvollziehen. Obwohl die beabsichtigten Schließungen von Schulen die Attraktivität des ländlichen Raums für Familien schwer beeinträchtigen wird, sucht man die Begriffe "Bildung" oder "Schule" in den Forderungen der Landkreisversammlung vergeblich." Kreisstraßen" haben es da besser. Auch der öffentliche Personennahverkehr findet keine Erwähnung. Auf den Punkt brachte es der als Gast redende Landwirtschaftsminister Onko Aikens (CDU). Er wies Diskussionen über Einschränkungen der Infrastruktur zurück, fand zu gleich jedoch die Schließung von Schulen erforderlich.
Denkt man den Aikenschen-Gedankengang konsequent weiter, haben wir in 30 Jahren auf dem Land zwar keine Schulen aber super Straßen, auf denen sich im Wesentlichen jedoch die Fahrer/innen von "Essen auf Rädern" tummeln. Das kann nicht der richtige Weg sein.
Die eigentlich erforderliche Diskussion über die Frage, welche Infrastruktur im ländlichen Raum nötig und leistbar ist, fand nicht statt. Zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auf dem Land gehören eben z.B. auch eigene Bildungs- und Kulturangebote. Gleichwertigkeit bedeutet allerdings nicht zwangsläufig Gleichartigkeit. Dass nun im ländlichen Bereich Straßen in gleicher Anzahl und Breite und Schulen mit gleicher Schülerzahl wie in Ballungszentrum zu fordern wären, darf bezweifelt werden. Der weitere Weg des ländlichen Sachsen-Anhalts ist offen. Der Landkreistag erweist sich derzeit dort als bloß bewahrend, wo es auf die Gestaltung neuer Lösung ankäme.
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